Bei den Grabarbeiten zum Marmaray-Tunnel wurden 2004 einige Schiffswracks unter der Meerenge des Bosporus gefunden. Der Theodosius-Hafen gilt als Beweis, dass Istanbul viel älter ist als 2700 Jahre. In Istanbul trägt jedes Stückchen Erde eine Geschichte in sich. Bei Yenikapi wurden 30 weitere Wracks gehoben. Faszinierend, was Istanbul auch im verborgenen zu bieten hat. Wer weiß, wie viele Schätze noch im Boden Istanbuls ruhen.
Abseits der Touristenzentren zeigt Istanbul ein ganz anderes, sein wahres Gesicht. Es ist das Viertel der Neuankömmlinge. Heruntergekommene, halb verfallene Häuser, Schmutz und Unrat. Dies zeigt uns, dass das Bemühen, Touristen unbedingt etwas zu verkaufen, für viele die letzte Chance fürs tägliche überleben ist.
Aus Armut werden sie dazu getrieben, jeden Tag das Beste zu geben. Touristen genießen Istanbul, für andere ist es ein täglich neuer Kampf gegen die Armut und den Hunger. Istanbul ist voller Gegensätze. Arm und reich, altes und neues, Erfolg und Versagen, Kultur und Schund, das alles ist Istanbul. Aber jede Weltmetropole zeigt dieses Bild.
Sultanahmet, das Historische Zentrum mit Hagia Sophia und Blauer Moschee, Sultanspalast und Basar - das ist mehr die touristische Zone. Einheimische leben dort wenige. Das hat sich in den letzten 20 Jahren so vollzogen. Das Hauptgeschäftszentrum in Istanbul befindet sich zwischen dem Taksimplatz und Levent.
Das Meer prägt Istanbul in jeder Hinsicht. Die Fischer am Bosporus wissen genau, wann die Strömung vom Marmarameer vorherrscht oder die Strömung vom Schwarzen Meer. Auf jeden Fall ist der Bosporus sehr fischreich dank der wechselnden Strömungen. Das Meer erhöht den Reiz der internationalen Metropole. Das Panorama der Altstadt vom Ufer der Meerverbindung zum Schwarzen Meer fesselt zu jeder Tageszeit. Nicht von ungefähr reiht sich am Ufer von Beyoglu bis zur ersten Bosporus-Straßenbrücke Restaurant an Restaurant.
Die Windrichtung ist auch sehr wichtig am Bosporus. Aufatmen können die Istanbuler bei Wind aus dem Nordosten. Auf Türkisch heißt diese Luftströmung "Poyraz"; sie kühlt wohl etwas die Luft ab, aber reinigt sie auch. Gehasst wird dagegen der "Lodos" der Wind aus dem Süden. Er bringt, Wärme, Nebel, Smog und hohe Luftfeuchtigkeit in die Gegend und macht das tägliche Leben unangenehm.
Und immerzu kommen Neubürger nach Istanbul. Gerade so wie sich die politische Lage darstellt - die Vertriebenen der islamischen Welt strömen zum Bosporus. Natürlich kommen auch junge Leute zwecks Studium aus dem türkischen Hinterland nach Istanbul. Großfamilien sind dort keine Seltenheit. Und wenn man vom Land in die Stadt "flüchtet", kommt der ganze Clan mit in die große Stadt.
Auf der asiatischen Seite befindet sich das "Nobelviertel" Istanbuls. Genannt sei hier die Bagdad-Alle, die sich kilometerlang am Marmarameer entlang schlängelt.
Istanbul besitzt acht große Universitäten; daher ist die Stadt von jungem Leben erfüllt, was ihr sichtlich gut tut. Nachteil ist die Schnelllebigkeit der Dinge; was heute gut ist, ist am nächsten Tag schon vergessen. Ein Opfer der Moderne.
Das Ankara von Atatürk zur türkischen Hauptstadt gemacht wurde, hat Istanbul nicht nachhaltig geschadet. Nach einem kurzen Luftholen geht jetzt wieder die Post ab am Goldenen Horn. Ankara ist für Bürokratie und Diplomatie zuständig, Istanbul für das modernere Leben.
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